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Mindestens 20.000 US-Soldaten mit Gehirnverletzungen, Die verschwiegenen Verwundeten

Dezember 14, 2007

Ein bereits am vergangenen Donnerstag von USA Today veröffentlichter Bericht belegt einmal mehr, wie drastisch das US-Militär seine Verluste im Irak – aber zweifellos nicht nur dort – schönt.

Das US-Verteidigungsministerium beziffert die bis zum 27. November dieses Jahres im Zusammenhang mit den Kriegen gegen den Irak und Afghanistan so schwer, daß sie ihren Dienst nicht innerhalb von 72 Stunden wieder antreten konnten, verwundeten US-Soldaten auf insgesamt 13.903 – 12.804 davon im Krieg gegen den Irak. In seiner diesjährigen April-Ausgabe veröffentlichte das Magazin National Geographic einen Artikel, in dem die Gesamtzahl der im Krieg gegen den Irak verwundeten Soldaten – hierzu zählen nach Definition des US-Militärs auch Verwundungen in mehreren Nachbarländern und angrenzenden Gebieten – mit über 23.000 angegeben wurde. Mehr als 20 Prozent – also rund 5.000 – von ihnen haben dem Artikel zufolge ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.

USA Today befragte nun mehrere Behandlungszentren des US-Militärs und das US-Ministerium für Veteranenangelegenheiten nach der Zahl von Soldaten, die im Irak und Afghanistan eingesetzt worden sind und bei denen Schädel-Hirn-Traumata festgestellt wurden. Einige der befragten Stellen antworteten erst auf die Anfrage, nachdem diese förmlich im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes gestellt wurden.

Marie Shaw, Sprecherin des US-Militärkrankenhauses im rheinland-pfälzischen Ort Landstuhl, sagte, daß seit Mai 2006 bei über 2.300 US-Soldaten Gehirnverletzungen festgestellt worden sind. US-Oberstleutnant Steve Stover von der US-Basis Fort Hood im US-Bundesstaat Texas gab die Zahl der dort diagnostizierten Gehirnverletzungen bei US-Soldaten mit mindestens 2.700 an. US-Oberst Heidi Terrio von Fort Carson im US-Bundesstaat Colorado hatte bei einem Seminar über Gehirnverletzungen die Zahl der dort bei Reihenuntersuchungen an US-Soldaten festgestellten Gehirnverletzungen mit über 2.100 angegeben. US-Fregattenkapitän Martin Holland, ein Gehirnchirurg am Medizinischen Zentrum der US-Marine in San Diego, sagte, bei 1.737 US-Marineinfanteristen an der Basis der US-Marineinfanterie Camp Pendleton im US-Bundesstaat California seien Gehirnverletzungen festgestellt worden. An Krankenhäusern der US-Behörde für Veteranenangelegenheiten sind nach deren Angaben seit April dieses Jahres 61.285 Veteranen, die im Irak und in Afghanistan eingesetzt worden waren, auf durch Kampfhandlungen verursachte Gehirnverletzungen untersucht worden. Bei 11.804 – fast 20 Prozent – von ihnen wurden Anzeichen für Gehirnverletzungen festgestellt, berichtete die Sprecherin Alison Aikele. Eine abschließende Bezifferung der tatsächlichen Fallzahlen bedürfe aber noch genauerer Untersuchungen durch Ärzte, so Aikele weiter.

Insgesamt gaben die befragten Einrichtungen also die Zahl der US-Soldaten mit Gehirnverletzungen mit 20.641 an. Zwar handelt es sich hier möglicherweise teilweise um Überschneidungen und in anderen Fällen mag die genauere Untersuchung den Anfangsverdacht nicht bestätigen, andererseits sind aber nicht nur vermutlich keineswegs bereits alle möglicherweise betroffenen Soldaten untersucht worden, beispielsweise die von Landstuhl gemeldeten Zahlen beziehen sich außerdem ausdrücklich nur auf den Zeitraum seit Mai 2006 – also über drei Jahre nach Beginn des Krieges gegen den Irak.

So äußerte der demokratische Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses für den Bundesstaat New Jersey, Bill Pascrell, denn auch die Befürchtung, daß sich die Gesamtzahl der US-Soldaten, die bei Kampfhandlungen Gehirnverletzungen erlitten haben, auf über 150.000 belaufen könnte. „Ich befürchte, daß die Zahl der Soldaten mit Gehirnverletzungen bei weitem die gemeldete Zahl der Verwundeten übersteigt“, sagte er. Tatsächlich ergibt sich dies allerdings schon allein aus den angegebenen Zahlen der US-Behörde für Veteranenangelegenheiten.

Sollte Pascrells Einschätzung zutreffen und der Anteil der Soldaten mit Gehirnverletzungen weiterhin etwa 20 Prozent der Gesamtzahl der verwundeten Soldaten betragen, so bedeutete dies, daß etwa 750.000 US-Soldaten im Irak und in Afghanistan verwundet worden sind – die Hälfte aller bisher dort eingesetzten Soldaten. Die Bedeutung für die wahre Zahl der getöteten Soldaten wäre hier nur zu offensichtlich. Läge sie im gleichen Verhältnis über den Angaben des US-Militärs, so wären allein im Irak bisher rund 101.000 US-Soldaten getötet worden. Auch wenn es höchst unwahrscheinlich scheint, daß diese Zahlen tatsächlich derart hoch liegen – dies dürfte auch bei größten Anstrengungen kaum effektiv zu vertuschen sein – so wird hier doch erneut deutlich, wie wenig die offiziell genannten Zahlen über die US-Verluste im Irak und in Afghanistan mit der Wahrheit zu tun haben.

http://www.freace.de

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